Faschismus in der Gesellschaft

Deutschland feiert jedes Jahr am 27. Januar die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Der Antifaschismus und der Slogan “Nie wieder Faschismus” ist so etwas wie der Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland. Das Erstarken des Rechtspopulismus zeigt, dass dieser Konsens nicht ohne weiteres selbstverständlich ist.

Eine eindeutige Definition von Faschismus lässt sich schwierig finden, da diese in der Forschung umstritten ist. Es ist unklar, ob der Faschismus eine historische Erscheinungsform ist, die nicht außerhalb des historischen Kontextes betrachtet werden kann, oder ob es sich um ein allgemeines politisches Phänomen handelt. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen soll Faschismus an dieser Stelle um ein Phänomen verstanden werden, welches sich nicht unverändert in der Geschichte wiederholt, aber dennoch in verschiedenen Facetten auftreten kann.

Typische Elemente sind nach Emilio Gentile :

  • das Führerprinzip,
  • der Totalitätsanspruch,
  • die am Militär orientierte Parteiorganisation,
  • eine kulturstiftende, auf Mythen, Riten und Symbolen basierende, irrationale weltliche Ersatzreligion,
  • eine korporative, hierarchische Wirtschaftsorganisation,
  • sowie ein totalitäres, in Funktionshierarchien gegliedertes Gesamtmodell der Gesellschaft.

Über Faschismus haben verschiedenste Autoren nachgedacht und geschrieben. Dabei sind besonders die Beiträge von Adorno und Chomsky interessant. In diesen Beiträgen geht es darum, dass gerade der Sport eine faschistische Komponente enthält. Diese Beobachtung lässt sich auch heutzutage finden. Als Beispiel dafür möchte ich den Fußball heranziehen. Wer schon einmal die Faszination einer Fankurve miterlebt hat, der wird die verschiedenen Komponenten wiederfinden. Die ganze Kurve folgt in ihren Gesängen einem sogenannten Capo, der als Führer der Gruppe funktioniert. Die eigene Gruppe wird deutlich gegenüber den “Feinden” der anderen Klubs abgegrenzt und teilweise finden extrem gewalttätige Aktionen gegen diese statt. Die Fans marschieren mit Trommeln geradezu martialisch durch die Innenstädte. Besonders eindrucksvoll ist der Marsch von den Dynamo Dresden Fans im letzten Jahr, der sogar unter dem Motto “Krieg dem DFB” stand.

Die meisten der von Gentile vorgestellten Elemente lassen sich demnach im Fußball finden. Interessanterweise erinnert das gegenseitige Beschimpfen und Aufmarschieren an Stammeskriege oder die rituellen Haka der Māori. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, inwiefern diese Mechanismen möglicherweise schon seit Jahrtausenden in unserer Zivilisationsgeschichte vorkommen. Diese Stammesmechanismen könnten die ursprüngliche Organisiations- und Herrschaftsmechanismen von Stammesfamilien in der Urzeit sein. In einer Dokumentation von SpiegelTV über ein Neonazikonzert (Hier erfolgt absichtlich keine Verlinkungspricht ein hochrangiger Neonazi davon, dass der Nationalsozialismus die politische Verfasstheit des deutschen Volkes sei. Unabhängig davon, dass dieser Neonazi damit sehr wahrscheinlich etwas anderes gemeint hat und der Nationalsozialismus natürlich nichts anderes als eine verbrecherische Ideologie ist, könnte er in einem gewissen Sinne recht haben. Damit soll gemeint sein, dass natürlich nicht der Nationalsozialismus im konkreten die natürliche Verfasstheit des deutschen Volkes ist, sondern sich der Faschismus Rituale angeeignet hat, die der Natur des Menschen entsprechen. Gerade die starke Gruppenzugehörigkeit, die Ausgrenzung des Anderen, ein totalitärer Anspruch gepaart mit einer starken militärischen Komponente sind für eine Stammesgesellschaft von Nutzen.

Was folgt daraus?

Falls die These stimmt und der Faschismus sich auf die menschliche Natur stützen kann, dann ist die Erziehung des Menschen zu einem humanen, zivilisierten Wesen besonders wichtig. Adorno schreibt in seiner Schrift “Erziehung nach Auschwitz” davon, wie dieses gelingen kann. Daraus folgt auch, dass Demokratie nicht automatisch im Menschen angelegt ist, sondern Demokratieerziehung in Schule und Gesellschaft unabdingbar ist. Menschen müssen die Humanität gegenüber Fremden, die nicht zu ihrer Gruppe gehören lernen. Falls dieses nicht gelingt, ist ein Rückfall in dunkelste Zeiten nicht auszuschließen.

 

“Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie.” – Karl Liebknecht




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