Ist es moralisch vertretbar Fleisch zu essen?

Ist Fleisch essen Mord? Darf man Tiere töten um sie als Nahrung zu nutzen? Darf man Tiere quälen?

Bei allen diesen Fragen geht es darum, ob man es moralisch vertreten kann, Tieren Leid zuzufügen. Diese Frage ist keinesfalls trivial. Sie ist sogar ziemlich komplex. Aus diesem Grund bietet es sich an die Frage in zwei Teile aufzuteilen. “Was bedeutet eigentlich Moral?” und was ergibt sich daraus für die Tiere.

Was bedeutet moralisch?

Allgemein lässt sich Moral definieren als gesellschaftliche Regeln oder Handlungsmaxime. Diese können entweder durch Gesetze kodifiziert sein oder aber auch nur informell gelten. Der Verstoß gegen diese Moral führt zu einer gesellschaftliche Sanktion. Um die Frage zu beantworten, ob Fleisch essen moralisch ist, müssen die unterschiedlichen Begründungen von Moral analysiert werden.

1. Tradition

Viele Moralvorstellungen besitzen keine expliziten Begründungen, sondern werden von Generation zu Generation tradiert. Diese Begründung von Moral ist für unser Anliegen denkbar ungeeignet, da Fleisch bereits seit Menschheitsgedenken konsumiert wurde. Darüber hinaus ist die Begründung, dass man etwas schon immer so gemacht hat, die denkbar schlechteste.

2. Kulturelle Moral

Besonders die Existenzialisten gehen davon aus, dass die Existenz des Menschen seiner Essenz vorausgeht. Der Mensch ist demnach nicht natürlich mit Werten geschaffen, sondern muss sich selber seine Moral schaffen. Der Mensch ist nicht an vorgegebene Werte gebunden und kann frei Werte “erfinden”. Die Werte einer Gesellschaft sind also veränderbar und es liegt in der Verantwortung ihrer Mitglieder diese so zu gestalten, dass sie “gut” sind. Sartre sagt dazu sehr schön: “(es) gibt für uns keine Handlung, die, die den Menschen schaffend, der wir sein wollen, nicht auch zugleich ein Bild des Menschen hervorbringt, wie er unserer Ansicht nach sein soll”.

Diese Begründung der Moral ist für unser Anliegen schon geeigneter. Wir können uns selber entscheiden, ob wir den Fleischverzicht in unsere Moral übernehmen. Ist dieser Verzicht aber auch für die Gesellschaft unmittelbar einzusehen?

3. Natürliche Moral

Im Gegensatz zu der durch die Gesellschaft hervorgebrachten Moral könnte es auch eine natürliche Moral der Menschheit geben, die in unseren Genen angelegt ist. Dafür spricht, dass die Schimpansen als unsere nächsten Verwandten auch altruistisch handeln und nicht nur auf eigenen Vorteil bedacht sind. Anderen Schimpansen zu helfen scheint “normal” und in den Genen angelegt. Verschiedene Philosophen (z.B.  Otfried Hoffe) gehen davon aus, dass es über alle Gesellschaften bestimmte Werte gibt, die immer vorhanden sind. Dazu gehört das grundsätzliche Verbot des Mordes. Dies ist zumindest ein Hinweis darauf, dass es auch bei den Menschen so etwas wie eine natürliche Moral gibt.

Für unsere Leitfrage könnte die natürliche, im Menschen angelegte, Moral von Nutzen sein. Wahrscheinlich gilt diese Moral allerdings nur sehr eingeschränkt. Normalerweise gelten diese Werte wie z.B. Mitgefühl oder Solidarität nur gegenüber Mitgliedern der eigenen Gemeinschaft, des eigenen Stammes, Clans etc. Gerade deswegen ist die allgemeine Erklärung der Menschenrechte so eine wertvolle Erfindung. Die Moralvorstellungen innerhalb der eigenen Gruppe werden als Maßstab an alle Menschen angelegt. Diese Erfindung gehört aber in den Bereich der von den Menschen erfundenen Moral. Die Jahrtausende vorher war es geradezu normal Menschen anderer Gruppen zu töten und zu versklaven. Wenn sogar andere Menschen nicht in dieser “natürlichen” Moral enthalten sind, dann sind es Tiere sehr wahrscheinlich auch nicht.

Sollten wir nun also Fleisch essen?

Es ist deutlich, dass es kein natürliches oder traditionelles Fleischverbot gibt. Es muss also ein kulturelles Verbot begründet werden. Der Kampf von Tierrechtsaktivisten ist demnach auch ein legitimer politischer Akt, da nur so dieses Ziel umgesetzt werden kann. Die entscheidende Frage ist die Begründung dieses Verbots. Da es sich nicht auf ein natürliches Verbot beziehen kann, welches allgemein einsehbar ist (z.B. Mitleid), muss es sich auf etwas pragmatisches beziehen. Aus diesem Grund sollten von Tierrechtsaktivisten Umwelt-  und Gesundheitsschutz als Argument herangezogen werden.

Die moralische Begründung, dass Tierhaltung die Welt zu sehr in Anspruch nimmt und nicht mehr an nachfolgende Generationen weitergegeben kann, erscheint mir in diesem Zusammenhang als am überzeugendsten. Bei dieser Begründung greift man auf ein Argument zurück, welches aus dem Bereich der natürlichen Moral stammen könnte. Es gilt zu überprüfen, ob dieses Argument wissenschaftlich plausibiliert werden kann.

 

“Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.” Fjodor Michailowitsch Dostojewski

 

 




2 Comments

  1. Steven Kurtis said:

    Yin und Yang.
    Ich selbst betrachte mein Fleisch-Konsum als immer wie mehr verwerflich, unzählige Lebewesen werden durch mich umgebracht, insbesondere Kälber die schon ins Kindesalter ihr Leben lassen müssen…
    Aber zugleich sagt meine andere Stimme, das wir schon 2,4 Millionen von Jahren Fleisch konsumierten, und die Kälber nie geboren wären, ohne unserer Zucht , und eine humanitäre Beziehung inkl. Tötung zu diesen, so verwerflich sind… Schlussendlich merken diese ihr ableben nicht, da es nur Millisekunden dauert…
    Aber zugleich finde ich es verwerflich, und schäme mich zugleich, das diese nur wegen meines Genuss ihr Leben lassen mussten.

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    9. Mai 2021
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  2. Stefan said:

    Und hat ein Zucht-Schwein (das im Discounter zu billig preisen Angeboten wird ), es verdient, auf Gitterstäbe zu leben , damit die Fäkalien möglichst kostengünstig entsorgt werden können ?
    Glaube kaum….
    Wie herzlos muss ein Mensch sein, um das gutzuheissen.
    Geschrieben von einem (noch) Fleisch Liebhaber…

      Zitieren

    10. Mai 2021
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