#metoo oder besser #weall

Es vergeht kaum ein Tag an dem nicht bekannt wird, dass ein weiterer prominenter Mann eine Frau, einen Mann oder ein Kind sexuell belästigt, missbraucht oder vergewaltigt hat. Ähnlich wie 2013 als Laura Himmelreich über einen sexuellen Übergriff seitens Rainer Brüderle berichtete und daraufhin unter dem Hashtag #Aufschrei Frauen alltäglichen Sexismus posteten, melden sich nun wiederum Frauen über Twitter zu Wort, die sexueller Belästigung ausgesetzt waren. Ein offenkundiger Unterschied dabei ist, dass in der #metoo Debatte sich wesentlich mehr prominente Frauen aus Kultur und Politik als Opfer zu Wort melden. Dass Frauen alltäglichem Sexismus ausgesetzt sind und sexuelle Belästigung erleiden müssen, ist ein spezifisches gesellschaftliches Problem, welches nur über Generationen durch gesellschaftliche Ächtung bekämpft werden kann. Bei dieser Debatte wird aber ein wichtiger Aspekt bisher vernachlässigt.

Macht und Beziehungen

Die westlichen Medien haben scheinbar die die einfachsten Wahrheiten vergessen. Eigentlich sollte bekannt sein, dass innerhalb beinahe jeder sozialen Interaktion asymmetrische Machtbeziehungen existieren. Diese lassen sich in Familien, Partnerschaften und Freundschaften finden. Dies ist nicht weiter schlimm, wenn diese freiwillig eingegangen werden. Gerade im Fall der Erwerbsarbeit ist diese Freiwilligkeit nur sehr bedingt gegeben. Der Unterschied zu der #Aufschrei Debatte wird deutlich. Ausgelöst wurde die #meetoo Debatte maßgeblich von den Vorwürfen gegen den Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein. Dieser hatte durch seine Schlüsselfunktion in der Filmindustrie eine besondere Macht. Diese Macht auszunutzen um sexuelle Gewalt auszuüben ist besonders verwerflich. Das Gute in dieser Situation ist allerdings, dass diese spezifische Form der Machtausübung strafrechtlich über die Strafgesetze und sozial durch die Gesellschaft scharf sanktioniert wird.

Dass die asymmetrische Verteilung von Macht aus dem Blickfeld der Gesellschaft und der Medien gekommen ist stellt ein Problem dar. Macht bietet immer die Möglichkeiten des Machtmissbrauches und der Ausbeutung. Von dieser Ausbeutung sind häufig Frauen durch sexuelle Ausbeutung betroffen. Daneben gibt es aber Ausbeutung in der Arbeitswelt in verschiedenster Form, von der Menschen jeglichen Geschlechts betroffen sind. Man erinnere nur an die von Dunja Hayali losgetretene Diskussion um die nicht zugestellten DHL-Pakete. Es gibt ganze Branchen in denen unbezahlte Überstunden und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zum guten Ton gehören. Während dies in sehr gut bezahlten Branchen vielleicht noch akzeptabel ist, stellen diese Gewohnheiten im Niedriglohnsektor nichts anderes als Ausbeutung und Machtmissbrauch dar.

Macht und Ausbeutung

Ausbeutung kann nur durch Solidarität mit und unter den Ausgebeuteten überwunden werden. Für die sexuelle Ausbeutung bietet die #metoo Debatte eine wunderbare Plattform, da Opfer zeigen können, dass sie nicht allein sind. Darüber hinaus wird eine Kultur geschaffen, in der sexuelle Ausbeutung niemals in Ordnung ist. Nur weil Macht nicht sexuell ausgenutzt wird heißt dies natürlich nicht, dass diese nicht mehr vorhanden ist. Die potentiell immer vorhandene Ausnutzung der asymmetrischen Machtbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – die existiert selbst wenn die neoliberale Theorie etwas anderes behauptet – kann dagegen nur über Gewerkschaftsarbeit und politische Stärkung der Arbeitnehmer geschehen.

Die verschiedenen Formen der Ausbeutung sollen damit nicht gegeneinander abgewogen und relativiert werden. Es ist aber nötig zu erkennen, dass der Onkel von Peter Parker recht hatte als er sagte: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung”. Wenn dieser Verantwortung nicht gerecht wird, dann muss die Gesellschaft und die Politik eingreifen. Von potentieller Ausbeutung sind dabei nicht nur Frauen, sondern alle Menschen betroffen, die als Unterlegende in der Gesellschaft bestehen müssen.

 

“Dann sieh, dass Du Mensch bleibst: Mensch sein ist vor allem die Hauptsache. Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem und alledem, denn das Heulen ist Geschäft der Schwäche.” Rosa Luxemburg

 




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